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Properz 4,10 als Leerstelle

Gregor Bitto


Pages 207 - 231



In dem an Ungewöhnlichkeiten und Überraschungen nicht gerade armen vierten Elegienbuch des Properz steht an vorletzter Stelle ein Gedicht, das selbst aus diesem Rahmen herauszufallen scheint. Die Elegie 4,10 widmet sich zwar einem aitiologischen Thema, der Gewinnung der ‚spolia opima‘. Dennoch tut sie dies in einer Form, die das aitiologisch-liebeselegische Doppelprogramm, das in 4,1 angekündigt und von 4,2–9 in unterschiedlicher Gewichtung realisiert wird, auf nur eine Seite, nämlich die der Aitiologie, reduziert. Im Unterschied zu bisherigen Deutungen, die sich auf die Opposition augusteisch/anti-augusteisch konzentrieren, wird hier eine Lesart angeboten, die sich der antiken Literarkritik, genauer gesagt einer Vorform des modernen Konzepts der vom Leser zu füllenden Leerstelle, bedient. Auf diese Weise kann 4,10 als Projektionsfläche für den aitiologisch-liebeselegisch erzogenen Leser von 4,1–9 verstanden werden, der zu einer Ergänzung des nicht Gesagten bzw. nur Angedeuteten herausgefordert wird.

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