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Augustin und das livianische Geschichtswerk

Raban von Haehling


Seiten 21 - 51



Der Fall Roms im Jahr 410 n. Chr. gab den noch verbliebenen Paganen Auftrieb für ihre Behauptung, die Einführung der christlichen Lehre als Staatsreligion sei schuld an dieser Katastrophe. In der Nachfolge des Symmachus-Kreises beschworen sie die von Livius geschilderte Periode der frühen Republik als das Ideal einer religiös-politischen Organisationsform. Als Norm für religiöses und politisches Handeln galt der im livianischen Geschichtswerk beschriebene ‚mos maiorum‘, von dessen Wirkkraft sich die Heiden eine ‚regeneratio‘ versprachen. Die Gefahr, die dieses alternative Programm für die Christen enthielt, erkannte Augustin und wies in den ersten Büchern von „De civitate Dei“ nach, bereits in der Frühzeit – also ‚ante adventum Domini‘ – sei der ‚populus Romanus‘ von Unheil, Epidemien und Niederlagen heimgesucht worden. An vier Textbeispielen wird gezeigt, dass des Kirchenvaters so auffällige Distanzierung von dem seit Quintilian als ‚auctor candidissimus‘ gefeierten Livius als Reaktion auf die einseitige Vereinnahmung des Geschichtswerkes durch die pagane Intelligenz im frühen 5. Jahrhundert zu veranschlagen ist.

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