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Sallusts ‚unmoralische‘ Geschichtsschreibung

Thomas Baier


Seiten 205 - 233



Sallust begründet in den Proömien seiner Monographien Nutzen und Notwendigkeit von Geschichtsschreibung. Er beruft sich dabei auf die menschliche Physis, die von ‚cupido gloriae‘ beherrscht sei. Die Aufgabe des Historikers bestehe darin, diesem Ruhmesstreben zur Geltung zu verhelfen: Geschichte zu schreiben sei ebenso wichtig wie Geschichte zu machen. In Anlehnung an den Eingang des dritten Buchs von Ciceros De officiis begründet Sallust das ‚otium‘ des Schriftstellers als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Von der moralischen Geschichtsschreibung hebt er sich dadurch ab, dass er nicht anhand von ‚exempla‘ aus der Vergangenheit die Menschen bessern oder womöglich frühere Zustände wieder herbeiführen will – das wäre aussichtslos. Vielmehr sieht er es als seine Aufgabe, durch eine nüchterne, gleichsam moralfreie Diagnose die außer Kontrolle geratene ‚fortuna‘ zu bändigen. Sein Leitbild ist nicht der ‚mos maiorum‘, sondern derjenige Politikertypus, der mit den Menschen, wie sie sind, umgehen kann, der die Zeitumstände nicht verändert, sondern sie beherrscht.

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