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Der Löwenbrunnen

Eine antike Rechenaufgabe und ihre Lösungen zwischen ‚Physis‘ und ‚Techne‘

Kai Brodersen


Seiten 269 - 284



Das Epigramm vom Löwenbrunnen (Anthologia Palatina 14,7) stellt eine Rechenaufgabe, bietet aber nicht deren Lösung. Diese tragen die gängigen modernen Ausgaben zwar vor, allerdings mit verschiedenen und teils falschen Ergebnissen. Bereits die Scholien bieten eine Mehrzahl von Lösungen. Sie erlauben einen Einblick in zwei grundsätzlich unterschiedliche Methoden des Rechnens: Der ‚Physis‘ ist dabei die Methode der Arithmetiker mit einem exakten Ergebnis zugeordnet, der ‚Techne‘ hingegen die Methode der Logariker, die aus dem Alltag bekannte Zahlenverhältnisse für anschauliche Näherungslösungen nutzen. Das Nebeneinander von zwei Rechenmethoden in den Scholien zeigt, wie „reine“ und „angewandte“ Mathematik zwar zu unterschiedlichen Ergebnissen führten, wie dies aber nicht als Konflikt wahrgenommen wurde, da die Methoden je einen eigenen Sitz im Leben hatten – anders als in der Moderne, die stets eine exakte Lösung der Rechenaufgabe erwartet.

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