Christentum bedeutete für den Jesuiten Balde weniger Nächstenliebe als Askese, Hinwendung zu Gott, Abwendung von der Welt und ihren Freuden. Dazu gehörte für ihn zentral die Geschlechtsliebe, der er in einem spektakulären Bekehrungserlebnis entsagt haben will. In Baldes Erstlingswerk De Dei et mundi amore vertritt der heidnische Liebesgott Cupido, als Gegenkraft zu Christus, schlechtweg die Weltliebe. Ihm abzusagen heißt aber nicht, ihn aus dem dichterischen Werk fernzuhalten, im Gegenteil: Baldes zahllose Gedichte und Prosimetra sind durchzogen von der immer neuen, oft überraschenden, meist humorvollen Auseinandersetzung mit dem Erotischen, die dem Grundgedanken treu bleibt, dass an allem Unglück irgendwie Cupido schuld ist, z. B. am Dreißigjährigen Krieg wie am Froschmäusekrieg. Dieser verheerende Affekt ist es, den der Kaiser Maximilianus I. als ersten überwinden musste, um wahrhaft groß zu werden. Freundlicher, aber nicht ohne Ironie, bewertet Balde das höfische Minneideal, das in seiner Tragödie Jephtias ein feuriger Ägypter verkörpert. Als Baldes greiser Kurfürst wieder heiratet, ersetzt er in seinem Epithalamion das Erotische durch eine in Gott Hymen verkörperte katholische Eheanbahnung. Konventioneller sind seine Sittenpredigten, vor allem gegen die Decolletés deutscher Mädchen. Singulär aber ist seine Darstellung der sexuellen Qualen bzw. Anfechtungen, denen der Asket ausgesetzt ist. In seinem großartigen erotischen Spätwerk Urania victrix, wo die der Welt zugeordneten fünf Sinne ein dem Himmel geweihtes Mädchen als Ehekandidaten mit ovidischen Briefen bedrängen, werden die Angebote der Welt so sachgerecht beschrieben, dass man auf die Idee kommen konnte, Balde liebäugle mit der Gegenseite. Aber an seiner Präferenz für den Himmel hat er nie einen Zweifel gelassen.